Die Rolle der IT im Zeitalter der Digitalisierung

Wolfgang Hiemisch - 08.08.2019

Von Systems of Record zu Systems of Engagement

“Systems of engagement begin with a focus on communications. We grew up with letters, phones, telexes, and faxes, and grew into email, shared text databases like Lotus Notes, portals, web sites, and mobile phones. Now we are going to incorporate a third generation of communications, based on 1) connecting people in real time; 2) smart and geographically-aware mobile devices; and 3) ubiquitous and cheap bandwidth.”
Geoffrey Moore (2011)
"Systems of Engagement and the Future of Enterprise IT"

In der klassischen “Enterprise IT” wurden in den letzten Jahrzehnten große monolithische Systeme bzw. Applikations-Suiten zur Datenverarbeitung, die sog. „Systems of Record“, implementiert, deren Aufgabe es war, die Unternehmens-Prozesse entlang der Wertschöpfungskette digital abzubilden. Diese Systeme gelten heute jedoch als wenig flexibel, da sie Standard-Prozesse („Best Practice“) beinhalten, die nur mit sehr viel Aufwand an die tatsächlichen Unternehmens-Prozesse („Own Practice“) angepasst werden können. Darüber hinaus werden sie als wenig benutzerfreundlich wahrgenommen, da sich die Logik der Benutzerführung oft an den Datenstrukturen und Funktionen der voreingestellten Abläufe orientiert. Hinzu kommt, dass jedes „System of Record“ in der Regel nur seine eigene Domäne beherrsch, so dass die Digitalisierung systemübergreifender Prozesse häufig nur mit fehleranfälligen asynchronen Schnittstellen bewerkstelligt werden kann. So haben sich im Laufe der Zeit komplexe, hoch integrierte und wartungsintensive Systemlandschaften entwickelt, die zwar das Rückgrat der heutigen operativen IT bilden, den Anforderungen an eine moderne Benutzererfahrung („User Experience“) und dem Wunsch einer individuellen dynamischen Anpassbarkeit zwecks Wettbewerbsdifferenzierung, nicht gerecht werden.

Dem entgegen steht heute die Erwartungshaltung von Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern jederzeit und überall mittels moderner, einfach zu bedienender Anwendungen, den sog. „Systems of Engagement“, über unterschiedliche Endgeräte mit dem Unternehmen in Kontakt treten zu können. Dadurch rückt der Fokus für das Unternehmen von der rein transaktionsorientierten hin zur interaktionsbasierten Betrachtungsweise von Systemen, bei denen der Kommunikations- und Kollaborationsaspekt stärker im Vordergrund steht als in der traditionellen IT. Die Herausforderung für die Unternehmen besteht nun darin, die „Systems of Engagement“ mit den „Systems of Record“ zu verbinden, d.h. Schnittstellen zu bilden, über die Daten und Services nach außen veröffentlicht werden können, ohne dabei die Sicherheit und Stabilität der bestehenden „Enterprise IT“ zu gefährden. Dazu bedarf es einer „Vermittlungsschicht“ zwischen „Systems of Record“ und „Systems of Engagement“, die es ermöglicht neue digitale Fähigkeiten schnell, skalierbar, wiederverwendbar und kanalunabhängig bereitzustellen. Die Bestandteile dieser Vermittlungsschicht („Mediation Layer“) sind die sog. „Systems of Innovation“.

Systems of Innovation

Zwei wesentliche „Systems of Innovation“ sind „Identity and Access Management“ und „API Management & Integration“. Sie sind die Kernkomponenten zur Verbindung der „Systems of Record“ mit den „Systems of Engagement“:

  • Das „Identity & Access Management“ ist verantwortlich für die zentrale Benutzerverwaltung und die Steuerung der Zugriffsrechte.
  • Das „API Management & Integration“ ist verantwortlich für die zentrale Bereitstellung von Diensten.

Beide Komponenten interagieren miteinander und stellen einen kontrollierten Zugriff auf die Daten und Funktionen der angebundenen „Systems of Record“ sicher. Das Exponieren der darüber konsolidierten Fähigkeiten zu den „Systems of Engagement“ erfolgt ausschließlich über einen Endgeräte- und Programmiersprachenunabhängigen Service Layer (API’s).

Durch die Entkopplung von „Systems of Record“ und „Systems of Engagement“ mittels Service Layer können Anforderungen bzw. Innovationen im Benutzerorientierten schneller und einfacher umgesetzt werden, da durch die Bereitstellung vorkonfektionierter API’s die darunterliegende Komplexität abstrahiert wird. „Systems of Innovation“ ermöglichen somit die notwendige Agilität bei der Entwicklung moderner Benutzeroberflächen, die einer hohen Änderungsgeschwindigkeit unterliegen. Gleichzeitig erlauben Sie die die sichere und skalierbare Öffnung der Unternehmens IT nach außen zwecks Schaffung neuer Interaktionsmöglichkeiten mit Menschen – Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern.

Im Fokus einer IT-Strategie müssen zukünftig also neben den „Systems of Record“ zusätzlich auch die „Systems of Engagement“ stehen. Um das nahtlose Zusammenspiel beider Welten zu ermöglichen, um damit neue digitale Ökosysteme zu erschließen und die digitale Reichweite der Unternehmensprozesse zu erhöhen, bedarf es der Erweiterung der IT-Infrastruktur um „Systems of Innovation“. Die Unternehmens-IT muss sich daher zukünftig verstärkt mit hybriden (Omnichannel-) Integrationsszenarien, einer zunehmenden Anzahl an Kanälen und (Mobile-) Devices sowie (Public-) Cloud Betriebsmodellen in den unterschiedlichsten Ausprägungen (Infrastructure as a Service, Platform as a Service, Software as a Service, etc.) beschäftigen. Dies setzt voraus, dass sich die über Jahre hinweg festgefahrene „System-Denke“ wandelt zu einer ganzheitlichen „Plattform-Denke“.

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